NORMAL#VERRÜCKT. Zeitgeschichte einer erodierenden Differenz
Projektbeschreibung
Was definieren wir als „normal“ und was als „verrückt“? Wie hat sich unsere Wahrnehmung dieser beiden Begriffe im Laufe der Zeit verändert und welche kulturellen wie gesellschaftlichen Auswirkungen hat diese Veränderung? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der Ausstellung „NORMAL#VERRÜCKT. Zeitgeschichte einer erodierenden Differenz“, die vom 18. Mai bis 28. September 2025 im Museum Sammlung Prinzhorn am Universitätsklinikum Heidelberg und an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zu sehen ist.
Eine „psychiatrische Zeitgeschichte“
Die Psychiatrie hat sich stets über den Gegensatz von „normal“ und „verrückt“ definiert. Doch seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verschwimmen diese Grenzen zunehmend. Einerseits wird das „Verrückte“ durch die Öffnung der psychiatrischen Anstalten und die Integration der Patient*innen in die Gesellschaft alltäglich und damit „normal“. Andererseits werden Verhaltensweisen wie Rausch, Stress oder Aufmerksamkeitsdefizite zunehmend pathologisiert und unterliegen psychiatrischen Interventionen. Die Ausstellung „NORMAL#VERRÜCKT. Zeitgeschichte einer erodierenden Differenz“ beleuchtet ausgehend von neun exemplarischen Objekten, wie sich diese Wahrnehmungen im Laufe der Zeit gewandelt haben und welche Auswirkungen dies auf unsere Gesellschaft hat. Sie basiert auf den Ergebnissen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsprogramms, in dem seit 2021 (Medizin-) Historiker*innen gemeinsam mit Kunst- und Literaturwissenschaftler*innen mehrerer Universitäten, darunter der Universität Heidelberg, zusammenarbeiten.
Neun Objekte – Von einer Zeichnung des Gugginger Künstlers „Max“ bis zu einem Talking Stick
Wie lässt sich etwas darstellen, das gerade in Auflösung begriffen ist? Im Ausstellungssaal des Museums sind neun Objekte zu sehen, die jeweils bedeutende Aspekte oder typische Ambivalenzen dieser Auflösung widerspiegeln: Ein Pelzmantel, eine gerahmte Zeichnung des Gugginger Künstlers „Max“, ein Spritzenautomat, ein Talking Stick aus Zentralafrika, Publikationen von Unica Zürn, ein Wutkissen, ein Matrizendrucker und Film-Stills. Auf der Galerie wird durch Zeitdokumente und erläuternde Texte der Bezug zur Erosion der Grenzen von „normal“ und „verrückt“ verdeutlicht und in einen größeren Kontext eingeordnet. Das Bild des psychiatriehistorischen Feldes, das die Objekte zeichnen, wird von gegenläufigen Entwicklungen geprägt: Pathologisierung und Entpathologisierung, Deinstitutionalisierung und Re-Institutionalisierung, Selbstermächtigung und Ohnmacht.


Neue Werke der Sammlung in der Dauerausstellung und in der Lichtinstallation „Outsider Mapping Show“ zu sehen
Parallel zur neuen Sonderausstellung wird die Dauerausstellung „Die Sammlung Prinzhorn – Von ‚Irrenkunst‘ zur Outsider Art“ teilweise neu gestaltet. Unter den neuen Werken befinden sich Bilder von Paul Goesch (1885–1940), Sonja Gerstner (1952–1971) und Hans Wühr (1942–1981), die bisher noch nicht ausgestellt wurden. Ein besonderer Fokus liegt auf August Natterer (1868–1933), einem der zehn „schizophrenen Meister“, die Hans Prinzhorn besonders hervorhob. Ein ganzer Raum ist dem Elektromechaniker gewidmet, dessen Werk unter anderem Max Ernst beeinflusste. Natterers Bildwelt wurde stark geprägt von einer Vision, die er 1907 erlebte und in zahlreichen, technischen Darstellungen festzuhalten versuchte. Zu seinen eindrucksvollsten Arbeiten gehört der in eine Landschaft eingebettete „Hexenkopf“. Wie ein Diorama entfaltet das doppelseitig bearbeitete Blatt seine volle Wirkung erst durch rückseitige Beleuchtung. So lässt uns Natterer an dem „wunderbaren“ Erscheinen von Bildern teilhaben und die Undurchschaubarkeit der Welt transparent werden. Natterers Werke sind nicht nur im Museum zu sehen: Gemeinsam mit Arbeiten Else Blankenhorns (1873–1920), einer weiteren Künstlerin der Sammlung, werden einige davon am 15., 16. und 17. Mai im Rahmen einer Lichtinstallation auf ein Gebäude in der Bergheimer Straße projiziert. Die Installation mit dem Titel „Outsider Mapping Show“ ist eine Kooperation zwischen dem Metropolink Festival und der Sammlung Prinzhorn.
SWR Kultur Talk mit Wolfgang Kessel
Weitere Informationen
Institution
Sammlung Prinzhorn des Universitätsklinikums Heidelberg
Umfangreiches Rahmenprogramm
Begleitend zur Ausstellung wird ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Diskussionsrunden, Filmvorführungen und Führungen angeboten, das eine Auseinandersetzung mit den zunehmend verschwimmenden Grenzen zwischen „normal“ und „verrückt“ anregen soll.
Katalog
Zudem erscheint ein Katalog zur Ausstellung: NORMAL#VERRÜCKT. Zeitgeschichte einer erodierenden Differenz, hrsg. von Thomas Röske und Maike Rotzoll, Heidelberg 2025, EUR 18,00
Gefördert durch
Hans-Ruland-Stiftung